26.02.2023
Nachwuchsleistungszentrum

„War im Schockzustand“

Als Spieler des Gaziantep FK ist Berkan Küpelikilinc, der im Sommer von der U21 in die Türkei wechselte, direkt von der Erdbeben-Katastrophe betroffen. Der langjährige Adlerträger schildert seine Erlebnisse.

Zur Saison 2014/15 wechselte Berkan Küpelikilinc im Alter von elf Jahren an den Riederwald. Bis vergangenen Sommer durchlief der gebürtige Frankfurter alle Nachwuchsmannschaften mit dem Adler auf der Brust, mit der U21 absolvierte er im Juli noch die Sommervorbereitung. Im August entschied sich der 20-jährige zu einem Wechsel in den Südosten der Türkei, zum Erstligisten Gaziantep FK. In jene Region also, die am 6. Februar von mehreren schweren Erdbeben erschüttert wurde. Im Gespräch mit der Redaktion erzählt Berkan Küpelikilinc, wo und wann er vom Erdbeben erfuhr, inwiefern er persönlich betroffen ist und wie seiner Meinung nach aus der Ferne geholfen werden kann.

Berkan, Gaziantep ist eine der am stärksten betroffenen Regionen der Katastrophe. Wie hast du das Erdbeben in der Nacht zum 6. Februar erlebt?
Wir hatten am Samstag, 4. Februar, ein Auswärtsspiel bei Antalyaspor. Bereits vor der Partie stand fest, dass ich am Tag darauf nach Frankfurt fliegen werde, um dort die zwei freien Tage zu verbringen. Dort angekommen besuchte ich am Sonntag meine alten Teamkollegen der U21 beim Testspiel gegen den FSV Frankfurt. In der Nacht auf Montag bekam ich gegen 2.00 Uhr die ersten Nachrichten auf mein Handy. Ein Teamkollege fragte in unsere Mannschaftgruppe, ob es uns allen gut gehe und wie bei uns die Lage sei. Dazu schickte er Fotos. Zuerst nahm ich an, dass es sich um ein leichtes Erdbeben handelt. Ein solches habe ich selbst schon einmal miterlebt. Leider kam es viel, viel schlimmer.

Du warst also selbst nicht vor Ort, von einer ruhigen Nacht konnte aber sicherlich dennoch keine Rede sein.
Ich habe die Nachrichten in unserer Gruppe verfolgt. Um 4.00 Uhr habe ich versucht, ein wenig zu schlafen, bin um 5.00 Uhr aber direkt wieder aufgestanden. Im Wohnzimmer lief bereits der Fernseher. Parallel telefonierte meine Mutter mit meinem Onkel in der Türkei, weil er der Annahme war, ich sei in Gaziantep, und erkundigte sich nach mir. Da wurde mir erstmals so richtig bewusst, dass ich großes Glück hatte, nicht dort gewesen zu sein. Meine Familie in unserer türkischen Heimat Kahramanmaras hatte dagegen weniger Glück. Die Stadt ist nicht wiederzuerkennen, weite Teile wurden zerstört. Natürlich war ich erst einmal in einem Schockzustand, als ich all das am Montagsmorgen erfahren habe. Der Fernseher läuft seither fast ohne Pause, um die neuesten Entwicklungen immer im Blick zu haben.

Welche Maßnahmen hast du konkret getroffen, um deiner Familie und deinen Freunden aus der Ferne zu helfen?
Wir haben so oft es geht versucht, unsere Familie und Freunde telefonisch zu erreichen, um uns ein Bild von der aktuellen Lage machen zu können. Das ging allerdings nur gelegentlich, denn oftmals hatten die Betroffenen dort keinen Empfang. Sie haben uns geschildert, dass sie tagelang in Autos übernachtet haben, weil Wohnungen teilweise oder komplett zerstört wurden. Ich habe natürlich einerseits mit Geldspenden versucht, einen kleinen Beitrag zu leisten. Andererseits habe ich angeboten, meine Wohnung in Gaziantep, die zum Glück nicht beschädigt wurde, zur Verfügung zu stellen. Meiner Familie aus Kahramanmaras haben wir zunächst eine Unterkunft in Mersin organisiert. Mittlerweile befindet sie sich in Antalya, wo den Betroffenen Hotelzimmern zur Verfügung gestellt werden.

Auch für dich als Fußballer hat die Katastrophe unmittelbare Auswirkungen. Dein Verein Gaziantep FK und Hatayspor, der Klub aus der Provinz Hatay, verzichten bis zum Ende der laufenden Saison an der weiteren Teilnahme am Ligabetrieb. Wie geht es für dich weiter?
Zunächst kam am Morgen des 6. Februar die Nachricht des Sportdirektors, dass das Training bis zum Freitag ausgesetzt ist. Zwei Tage später wurde uns dann empfohlen, aus Sicherheitsgründen nicht in die Türkei zurückzukehren beziehungsweise war die Einreise auch nur schwer möglich. In den betroffenen Regionen ist es ohnehin nicht möglich, in das Tagesgeschäft überzugehen und so zu tun, als sei nichts passiert. Für uns Spieler gibt es deshalb zurzeit eine Sonderregelung.

Wie sieht diese aus?
Da wir bis zur neuen Saison nicht am Spielbetrieb teilnehmen, haben wir bis zum 5. März die Möglichkeit, uns verleihen zu lassen. Unabhängig davon, ob dies bei mir der Fall sein wird oder nicht, muss und möchte ich mich fit halten. Dafür spule ich täglich mein Fitnessprogramm ab. Für Spieler, die keinen neuen Verein für ein Leihtransfer finden, wird in Istanbul Training angeboten. Es wird aber auch akzeptiert, dieses Training eigenständig oder bei einem Gastverein zu absolvieren. In der neuen Spielzeit starten wir dann, so ist es vorgesehen, wieder in der Süper Lig (Erste türkische Liga; Anm. d. Red.).

Wie kann man deiner Meinung nach die Betroffenen am besten unterstützen?
Ich denke, dass den Menschen dort mit Geldspenden am meisten geholfen ist. Natürlich helfen auch Sachgüter weiter, aber ich habe schon gesehen, dass diese oftmals einfach auf der Straße liegen und in manchen Fällen auch gar nicht zu gebrauchen sind. Die Betroffenen vor Ort müssen sich teilweise ein neues Leben aufbauen. Mit Geldspenden können wir ihnen aus meiner Sicht Gutes tun.

Spendenkonto

Aktion Deutschland Hilft
IBAN: DE62 3702 0500 0000 1020 30
BIC: BFSWDE33XXX
Bank für Sozialwirtschaft
Spenden-Stichwort: Erdbeben Türkei und Syrien