Herzlich Willkommen, Alex Richter. Du bist seit Kurzem für die Zukunft von Eintracht Frankfurt mitverantwortlich.
Ich freue mich sehr auf den Job. Ich habe jetzt etwa die ersten zwei Monate hinter mir, bereits viele tolle Leute kennengelernt und mittlerweile auch meine Wohnung bezogen. Es ist alles sehr umfangreich.
Man hört es aus dem Dialekt unschwer heraus: Unser neuer NLZ-Leiter ist ein Ruhrpottler und waschechter Bochumer.
So ist es, das kann ich nicht verhehlen und der Dialekt geht wohl auch nicht mehr weg. Ich bin in Bochum geboren, dort aufgewachsen, zur Schule gegangen und habe dort studiert. Aber jetzt bin ich hier und freue mich auf den Job. Ich kann rein vom Standort ein paar Parallelen erkennen, wie zum Beispiel die Kioske. Die Kultur des Kiosks gibt es im Ruhrgebiet auch – aber hier heißt das ja „Wasserhäuschen“, wie ich gelernt habe. ich habe bislang zwar noch keine Zeit gehabt, diese zu erkunden. Aber ich habe vor Kurzem meine Wohnung in Bergen-Enkheim bezogen. Da ist bestimmt irgendwo eines. Wenn ich eines gefunden habe, dann trifft man mich da gelegentlich.
Hast du denn schon die Frankfurter Kultur kennengelernt?
Natürlich. Ich bin ja hier, um Neues kennenzulernen. „Ebbelwoi“ habe ich schon getrunken. Ist gewöhnungsbedürftig, aber so ab dem dritten fängt es an zu schmecken [lacht]. Auch die Grüne Soße hat mir richtig gut geschmeckt. Natürlich möchte ich aber auch ein wenig Ruhrpott mit an den Riederwald bringen. Zu meinem Einstand habe ich Currywurst versprochen. Da legen wir dann die Würste auf und ich bringe die originale Sauce vom Dönninghaus mit.
Ziel ist es, die Jungs aus unserem eigenen Jugendbereich irgendwann in unserem Stadion spielen zu sehen. Deswegen bin ich hier.
Alexander Richter
Du bist über Jahrzehnte an der Castroper groß geworden, hast dort große Erfolge gefeiert und bist nun nach Frankfurt gekommen: Wie schwer ist dir der Abschied als Ur-VfLer gefallen?
Es war ein langer Prozess vom ersten Kontakt im letzten Jahr, als ich mit Markus [Krösche, Anm. d. Red.] telefoniert habe bis jetzt. Ich habe viel überlegt, mit Frau, Familie und den Kindern gesprochen. Viele Gedanken kamen auf. Darüber, welche beruflichen Konsequenzen sich ergeben, aber auch wie sich der Job auf mein Privatleben auswirken und wie oft ich meine Kinder sehen würde. Aber seit ich hier bin, ist die Entscheidung für mich gefallen. Ich konzentriere mich zu 100 Prozent auf den Job und ich finde es bis jetzt richtig gut.
Du hast von 2008 bis 2022 die Nachwuchsabteilung des VfL Bochum geleitet und dabei unter anderem Leon Goretzka entdeckt und gefördert. Was bringst du aus Bochum mit und wie würdest du deine Arbeit dort erklären?
Es ging damals und auch jetzt bei der Eintracht darum, die Jungs zu fördern, sie weitzubringen, an ihren Stärken zu arbeiten und Potenziale auszuschöpfen. Aber auch auf eine vernünftige Art mit den Eltern umzugehen. So interpretiere ich den Job, welcher sehr intensiv und umfangreich ist, wenn man bedenkt, wie viele Fachbereiche an einem Spieler mitwirken. An einem NLZ in meiner Leitung möchte ich eine qualitativ hochwertige Talentbegleitung über die ganze Ausbildungszeit hinweg aufweisen können. Das habe ich in Bochum versucht und es ist mir für die dortigen Bedingungen, denke ich, auch gut gelungen. Diesen Ansatz wollen wir jetzt auch hier anwenden. Ziel ist es, die Jungs aus unserem eigenen Jugendbereich irgendwann in unserem Stadion spielen zu sehen. Deswegen bin ich hier.
Wie willst du das große Ziel, zukünftig auch mehr Spieler der Eintracht Jugend für die Bundesliga zu entwickeln, angehen?
Das ist tatsächlich die oberste Priorität. Jedes NLZ braucht grundlegend ein vernünftiges Arbeits- und Lernklima. Wenn du „oben“ Spieler rausbringen möchtest, musst du „unten“ alle mitnehmen. Egal ob es dabei um den Fahrdienst geht oder um die Athletiktrainer, Physiotherapeuten und den Cheftrainer. Das Ziel ist es, die ganze Abteilung mit einer hohen Qualität auszustatten und gleichzeitig Zusammenhalt zu schaffen.
Das wird spannend zu beobachten sein und natürlich spielen auf diesem Weg auch die Trainer eine wichtige Rolle. Damir Agovic übernimmt zur kommenden Saison die U19, wahrscheinlich auch, weil er genau das verkörpert, was du gerade angesprochen hast.
Genau. Damir Agovic hat schon in unseren Gesprächen sehr überzeugt. Der brennt auf diese Aufgabe und hat zudem einen sehr interessanten Lebensweg. Wir haben sehr viele Gespräche geführt, auch mit Trainern für die U21, und die beiden [Damir Agovic und Kristjan Glibo, Anm. d. Red.] sind einfach hervorgestochen und haben uns begeistert und gehen diesen Weg zu 100 Prozent mit uns.
Du hast die U21 um Trainer Kristjan Glibo gerade angesprochen. Die U21 ist hier in Frankfurt ebenfalls ein großes Thema, denn diese Mannschaft ist am Standort Dreieich neu entwickelt worden. Wie soll denn die Struktur dieser Mannschaft zukünftig aussehen?
Zunächst wurde vereinbart, Spieler von Hessen Dreieich in die Mannschaft mit einzubinden. Zudem werden wir Spieler der Jahrgänge 2003 und 2004 aus unserem NLZ in den Kader integrieren. Obwohl wir eigentlich spät dran waren, haben wir gemeinsam in guter Zusammenarbeit einen guten Kader auf die Beine gestellt bekommen. Für die U21 haben sich so sehr junge Strukturen ergeben. Allerdings wird es ein Prozess sein, den Kader in Zukunft vielleicht sogar hauptsächlich mit Altjahrgängen aus der A-Jugend zu besetzen. Nächste Saison werden wir sehen, wie es wird und wo wir landen.
Kristjan Glibo ist ein junger Trainer, der zuletzt schon erfolgreich gewesen ist. Was bringt er mit?
Kristjan bringt, wie ich festgestellt habe, ganz viel Eintracht in seiner Vita und seinem Herzen mit. Er ist ein sehr akribischer Trainer, der gleichzeitig sehr viel Begeisterung vermitteln und dich mit seiner Art packen kann. In Worms hat er mit sehr vielen jungen Leuten eine richtig gute Saison gespielt, war gleichzeitig noch Scout und in Teilen sogar sportlicher Leiter. In Grunde genommen hat er dort viele Dinge in sich vereint. Ich freue mich sehr darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten, und im ersten Jahr die neue U21 mit ihm aufzubauen.
Dann ist noch Alex Meier als Co-Trainer dabei. Wie wichtig ist es, Legenden wie ihn an den Klub zu binden und mit einzubinden?
Das sollten wir immer an den Stellen machen, an denen es Sinn ergibt. Wir haben vereinbart, für drei Jahre zu schauen, wie weit wir ihn bringen können. Das hängt auch davon ab, wann er von Seiten des DFB seine erste Lizenz machen darf. Ich glaube schon, dass er sich als Trainer entwickeln kann. Wir werden das genau beobachten, werden ihm helfen und schauen, wie er sich vom Coachingverhalten und vom Transport der Inhalte her entwickelt. Aber grundsätzlich ist er ein überragender Typ und sehr positiv.
Wir haben es bei der Eintracht in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft, einen Trainer aus dem eigenen Nachwuchs zu entwickeln. Ist das etwas, worauf du schaust?
Ich finde, ein NLZ muss es leisten können, Trainer zu entwickeln. Auch die Trainer bekommen viel Feedback, wir gehen mit in die Kabine, hören uns an, wie Ansprachen gehalten werden und wie gecoacht wird. Wenn du als junger Trainer so einen Weg gehst, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir irgendwann ein oder zwei dabeihaben werden, die wir für die Profis anbieten können.
Ich kann als junger Spieler nicht sagen, dass ich gerne Fußballprofi werden möchte, und auf der anderen Seite fünf Minuten vor dem Training damit beschäftigt sein, zu telefonieren oder etwas auf Instagram zu posten.
Alexander Richter
Ralph Gunesch ist als Übergangstrainer auch mit im Team. Übergangstrainer – was heißt das konkret?
Als Leistungszentrum ist es unsere Aufgabe, die besten Spieler, die da sind, noch besser zu machen. Ralph soll diese Spieler in verschiedenen Trainingseinheiten individuell weiterbringen und trainieren. Das geschieht auch in Abstimmung mit Markus Krösche und Oliver Glasner. Nach Videoanalysen werden dann eingehend Inhalte festgelegt, die mit diesen Spielern geübt werden. Das kann mal eine Zweier Gruppe sein, aber auch mal eine Gruppe von zehn Spielern. In der Regel werden wir aber sehr genau festlegen, was mit welchem Spieler gemacht wird. Du musst schon sehr detailliert arbeiten, um die Jungs oben rauszubringen. Das wird die Aufgabe von Ralph sein. Wir haben außerdem verabredet, dass er sich auch außerhalb des Platzes um die Spieler kümmert, um auch die soziale Komponente mitzunehmen.
Das Soziale und das Mediale hängt heutzutage ja oft eng zusammen. Wie hinderlich ist das für eine Karriere?
Das ist ein wichtiges Thema. Mir ist wichtig, dass wir auch neben den Platz ein bisschen Disziplin und Ordnung reinbringen. Die Spieler müssen und sollen auch untereinander Gespräche führen, sich miteinander beschäftigen und wissen, wie ihre Mitspieler ticken. Ich finde, dass die Kabine den Spielern und Trainern gehört. Von dort sollte nichts gepostet werden, dort sollte man keine Fotos machen. Meiner Meinung nach ist das ein Ort, an dem Handys durchaus mal ausgeschaltet bleiben könnten. Ich kann als junger Spieler nicht sagen, dass ich gerne Fußballprofi werden möchte, und auf der anderen Seite fünf Minuten vor dem Training damit beschäftigt sein, zu telefonieren oder etwas auf Instagram zu posten. Es geht nicht darum, den Spielern etwas zu verbieten, sondern darum, ihnen zu erklären, was der Karriere guttut und was nicht. Ich glaube, da habe ich auch ganz gute Ansichten. Man übt das natürlich auch zu Hause mit den eigenen Kindern.