Gude Alex! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Deine dritte Amtszeit bei der Eintracht ist vorüber. Wie geht es dir denn? Wie lädt ein Alex Richter in der Sommerpause seine Akkus auf?
Erstmal danke der Nachfrage. Akkus kann man im Saisonübergang nur schwierig aufladen, weil viel für die nächste Saison vorzubereiten ist. Auch aus der abgelaufenen Saison gibt es ein paar Sachen, die wir deutlich nachschärfen müssen. Ein Alex Richter wird die Akkus vielleicht aufladen, wenn die neue Saison begonnen hat.
Im Dezember hast du deinen Vertrag langfristig verlängert. Das ist nun etwa ein halbes Jahr her. Was waren die Gründe für diese Entscheidung?
Erstmal ist die Eintracht ein super Klub: Die Strukturen stimmen, die Zusammenarbeit stimmt. Wenn wir als Nachwuchsleistungszentrum den Auftrag bekommen, Topspieler, im besten Fall für unsere eigenen Profis, auszubilden, dann ist das für mich genau die Aufgabe, die ich brauche. Da spüre ich Unterstützung und eine Durchlässigkeit zu den Profis, dem Trainerteam und auch dem Vorstand. Es war ein gutes Gesamtpaket, hier weiterzumachen. Man braucht halt auch mal sechs, sieben, acht Jahre, bis ein NLZ Früchte abwirft und immer mehr Spieler dabei herauskommen, die sich ihren Traum vom Profifußball erfüllen.
Wie hast du deine dritte Saison bei der Eintracht erlebt, wie lautet dein generelles Fazit?
Sportlich gesehen haben wir es am Ende nicht so hinbekommen, wie ich es mir gewünscht hätte. Wir müssen den Spagat zwischen dem Ausbildungsgedanken und dem Willen, Ergebnisse zu erzielen, gerade im Übergangsbereich zukünftig noch besser hinbekommen.
Lass uns spezifischer auf die einzelnen Mannschaften eingehen. Die U21 ist in ihrer zweiten Saison in der Regionalliga Südwest als jüngstes Team der Liga abgestiegen. Du hast dich danach sehr selbstkritisch gezeigt. Wie blickst du mit etwas Abstand auf den Abstieg und welche Schlüsse habt ihr daraus gezogen?
Der Abstieg der U21 ist bitter. Wir haben den Kader von vorneherein zu jung aufgestellt und hätten noch ein bis zwei erfahrene Spieler mehr verpflichten müssen. Nichtdestotrotz war der Kader da, um die Klasse zu halten. Wir haben intern sehr viele Gespräche geführt und uns gegenseitig deutlich die Meinung zu einigen Dingen gesagt. Wir haben Abläufe geschärft, aber uns auch jeden einzelnen Spieler angesehen, was er für eine Leistung geliefert hat und was wir uns von ihm erwartet haben. Da gibt es immer Diskrepanzen und daraus müssen wir jetzt für die Zukunft lernen. So etwas darf uns nicht nochmal passieren.
Neben dem Abstieg gab es aber auch Erfolgsgeschichten. Alexander Staff wurde zum jüngsten Torschützen der Regionalligageschichte und Ebu Bekir Is hat in Rom sein Profidebüt gegeben. Welche Perspektiven zeigen solche Beispiele auf? Welche Philosophie steckt dahinter?
Das sind Topspieler von uns, die in der U-Nationalmannschaft auf dem absolut höchstem deutschen Level Fußball spielen. Sie müssen so früh wie möglich gegen Seniorenspieler spielen – deswegen die Einsätze in der U21 gegen 28-, 30-Jährige. Das kann man teilweise nicht die ganze Saison über durchziehen. Wir wollen die Spieler auch nicht ständig wild zwischen den Teams hin- und herschieben. Die Spieler brauchen zumindest eine Zeit lang ihre Heimat in einem Jahrgang. Die Spieler dort heranzuführen ist unsere Philosophie. Das werden wir in Zukunft auch genauso weitermachen, mit ein paar internen Anpassungen, damit wir klarere Kommunikationsstrukturen und klarere Abläufe gegenüber den Spielern haben.
Lass uns auf die U19 blicken. Die Mannschaft hat das Viertelfinale der DFB-Nachwuchsliga erreicht. Wie blickst du auf das sportliche Abschneiden der A-Junioren?
Das sportliche Abschneiden ist okay. Es waren echt gute Entwicklungen bei teilweise 15- und 16-jährigen Spielern dabei. Aber auch da: Man ist hinterher natürlich enttäuscht, weil wir in Bremen führen und dann in die zweite Halbzeit der Verlängerung gehen. Im Elfmeterschießen auszuscheiden ist bitter, aber Bremen ist auch eine sehr gute Mannschaft. Ich finde, unsere Mannschaft hat es richtig gut gemacht und alles sehr gut aufgefangen. Wir können ein positives Fazit ziehen.
Die U17 hat die Endrunde in der Nachwuchsliga leider verpasst. Wie lautet dein Fazit zu dieser Mannschaft?
Eher kritisch. Das kann passieren, es sind auch sehr junge Spieler und wir haben auch hier viele Jüngere durchgeschoben. Nichtdestotrotz waren da viele Spiele dabei, wo wir nicht gut verteidigt haben. Wenn wir auch über mich vorgeben, dass wir Ballbesitzfußball spielen, müssen wir schauen, aktiv zu sein und immer diejenigen sein zu wollen, die auf dem Platz das Spieltempo bestimmen. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen zu verteidigen. Das haben wir gerade in diesem Jahrgang nicht gut hinbekommen und viel zu viele Gegentore kassiert, auch nach Standards. Das wird jetzt bei uns kein Trainingsschwerpunkt werden, weil wir ganz andere Sachen im Ballbesitz trainieren wollen, aber wir müssen mehr darauf achten und dieses Verteidigen von Eins-gegen-Eins über gruppen-, mannschaftstaktische Inhalte wieder viel mehr in die Köpfe der Spieler bekommen. Fußball besteht nun mal aus allen Spielphasen und nicht nur aus Phasen mit Ball.
Im letzten Jahr fand zum ersten Mal das neue System der DFB-Nachwuchsliga mit Vor-, Haupt- und Endrunde statt. Wie schätzt du es ein?
Insgesamt finde ich es sehr positiv, weil man eine höhere Flexibilität hat. Uns war klar, dass wir im ersten Jahr der Umsetzung auf ein paar Baustellen stoßen, was die neuen Ligen angeht. Die werden jetzt auf DFB- und DFL-Ebene besprochen. Zum Beispiel unsere U17, die durch das Ausscheiden zu früh mit dem Spielbetrieb fertig war und bis zum Saisonende gar keine Wettkampfspiele mehr hatte. Da müssen wir uns auf Ebene der Dachverbände etwas überlegen, um den Jungs Spiele zu geben, in denen sie auch etwas erreichen können. Ansonsten finde ich es insgesamt richtig gut, finde aber auch, dass deutschlandweit – soweit ich das aus den Spielen, die ich gesehen habe, beurteilen kann – schon auch nochmal mehr Gelassenheit in die Trainer an der Seitenlinie kommen muss. Der Gedanke auszubilden, viel wechseln zu können, frei zu sein und nicht mehr absteigen zu können, sollte mehr dazu führen, dass man mutiger spielt und noch viel mehr ausbildet.
Der Gedanke auszubilden, viel wechseln zu können, frei zu sein und nicht mehr absteigen zu können, sollte mehr dazu führen, dass man mutiger spielt und noch viel mehr ausbildet.
Alex Richter
Hast du konkrete Optimierungswünsche?
Vom Grundsatz muss man sich die Ligeneinteilungen anschauen. Dann geht man in die Vorrunde und es ergibt sich eine Tabelle. Danach gibt es Liga A, Liga B – diesen Spielbetrieb müssen wir, ab U17 aufwärts und U19 sowieso, so gestalten, dass es für die Jungs immer um etwas geht. Testspiele drum herum und die Phasen, in denen es keine Ligaspiele gibt, haben wir sowieso. Das ist ein klarer Auftrag an DFB und DFL, an dieser Schnittstelle dafür zu sorgen, dass es länger geht. Wir spielen den ganzen Sommer über keine Wettkampfspiele, da müssen wir länger hintenraus spielen. Darüber hinaus dürfen wir uns nicht zu sehr reglementieren. Wir hatten bei uns den Einsatz eines 14-Jährigen, hatten vorher ganz viele Themen, überhaupt 16-Jährige in der Regionalliga einsetzen zu dürfen. Da müssen wir intensiv dran arbeiten.
Die U16 spielte bis zum letzten Spieltag noch um die Meisterschaft in der B-Junioren-Hessenliga mit und wurde mit der zweitbesten Rückrunde der Liga am Ende Dritter. Die U14 wurde als eines von zwei U14-Teams in der C-Junioren-Hessenliga Sechster. Hervorzuheben ist auch die U15, die ungeschlagen Meister in der Regionalliga wurde und ihre erste Niederlage im Spiel um die Süddeutsche Meisterschaft gegen den FC Bayern München kassierte. Wie blickst du auf diese Teams?
Sehr positiv. Da sind sehr talentierte und gute Spieler dabei, die wir für die nächsten Jahre toll weiterentwickeln konnten, auch unabhängig von den Ergebnissen. Da ist Tempo drin, da sind viele drin, die eine entsprechende Mentalität haben. In der U15 sind zehn Spieler des Jahrgangs 2010, die wir jetzt alle in die U17 schieben. Von daher kann ich an alle, die nur auf die Tabelle schauen, vorwegschicken, zu berücksichtigen, dass die halbe U17 im nächsten Jahr aus Jungjahrgängen besteht. Da sind wir wieder bei unserer Philosophie. Die Jungs müssen da Spielpraxis bekommen. Dass die U15 am Ende ein Finale verliert, nachdem man die Meisterschaft mit 20 Punkten Vorsprung gewonnen hat – ich bin natürlich selbst da gewesen und hab es mir in Backnang gegen Bayern angeschaut – liegt auch daran, dass wir da hätten besser verteidigen müssen. Wir sind im Ballbesitz und auch individuell stärker gewesen als die Bayern, haben es aber nicht gut genug verteidigt. Deswegen müssen wir die Ausbildung ein kleines bisschen mehr dahin schieben, ohne unseren Weg zu verlassen.
Die Teams der U9 bis U13 nehmen an keinem Wettbewerb im Sinne einer Liga teil, aber spielen Turniere und Leistungsvergleiche. Wie beurteilst du die Saison unserer Jüngsten und das Feedback der einzelnen Trainer?
Die Entwicklungen sind grundsätzlich sehr positiv. Es macht richtig Spaß, den Jungs zuzuschauen, mit welchem Eifer, mit wie viel Hingabe sie Fußball spielen – egal ob es Acht-, Neun- oder Zehnjährige sind. Ich finde es echt toll, welche Arbeit wir da machen, auch in die Partnervereine hinein und über unsere Adlerperspektivteams in unsere eigenen Jahrgänge hinein. Da sind wir auf einem richtig guten Weg. Die Entscheidung damals, die Spieler mindestens drei Jahre lang auszubilden, keinen freiwillig abzugeben, sondern den Jungs Entwicklungszeit zu geben, wird sich auf Dauer auszahlen.
Ein Ziel der Eintracht ist es, die Spieler über Jahre hinweg bei uns zu halten und auszubilden. Worauf liegt der Fokus im Spielbetrieb der jüngsten Teams noch?
Da geht es viel um Eins-gegen-Eins-Situationen, es geht um kleine Spiele, um Drei-gegen-Drei auf vier Tore – alle Inhalte, die es im Fußball gibt, da schon auszubilden. Aber in Spielformen mit Spaß, ohne lange Wartezeiten, sodass man da auch eine richtig gute Entwicklung hat. Sie sollen schon Eins-gegen-Eins-Situationen haben, Spiele gewinnen wollen und eine Siegermentalität entwickeln, aber nicht übertrieben. In den Jahrgängen steht Spaß an erster Stelle.
Mit dem SV St. Stephan Griesheim haben wir vor kurzem einen neuen Kooperationsverein dazu bekommen. Welche Rolle spielen diese Partnervereine bei uns?
Sie sind sehr wichtig und werden für uns in Zukunft auch immer wichtiger werden, weil wir mit den Vereinen zusammen in die Region hinein scouten wollen. Wir wollen aber auch gemeinsam ihre Trainer weiterentwickeln und einen intensiven Austausch miteinander haben, damit wir als Eintracht wissen, wo wir helfen und wo wir in der Region unterstützen können. Da sind wir im Norden, Süden, Westen, Osten – überall um uns herum – tätig und versuchen die Kooperationsvereine auch geografisch gut aufzustellen. Wir gucken aber schon auch, dass sie eine Qualität mitbringen. Da sind richtig gute Vereine dabei, die eine Top-Nachwuchsarbeit leisten und es macht echt Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir wollen es weiter ausbauen.
Zum Abschluss: Was waren deine persönlichen Highlights in der vergangenen Saison?
Ebu in Rom. Dass er da Spielminuten bei den Profis bekommen hat. Es freut mich riesig für den Jungen und die Familie. Auf der anderen Seite zeigt es auch unseren Weg, den wir gehen wollen, und unseren Job, den wir machen müssen und demnächst auch noch besser machen wollen: Spieler anzubieten, die das Trainerteam bei den Profis einsetzen kann. Es ist unser Job, sie dahin zu führen und das wollen wir intensiv weitermachen. Dazu war auch die Saison von Elias Baum in Elversberg ein absolutes Highlight, weil er jedes Spiel gemacht hat, jetzt zurückkommt und zum festen Kader gehört. Das ist eben das, was wir machen wollen. Wenn es über eine Leihe ist, ist es auch okay. Es ist wichtig für die Entwicklung. Diese Saison Regionalliga zu spielen, hätte ihm nichts gebracht. Erst 2. Liga und jetzt zurückzukommen, war genau der richtige Weg und genau die richtige Entscheidung. Man sieht da, wie wichtig so ein Loan Management ist, das wir aufbauen und weiterentwickeln müssen.