06.10.2020
U17

Bis zum letzten Tröpfchen

In der B-Junioren Bundesliga Süd/Südwest strebt die U17 maximalen Erfolg an, damit haben auch eine Zitrone und Schnürsenkel zu tun.

Im Sommer 2019 wechselte Sandro Stuppia, damals im Alter von 31 Jahren, vom VfR Aalen an den Riederwald. Trotz seines noch jungen Alters schloss sich der Italiener mit der Erfahrung von bereits vier Jahren als Trainer der Eintracht an. Nachdem er in drei Spielzeiten bei der U19 des VfR an der Seitenlinie stand, assistierte der gebürtige Kirchheimer zur Saison 2018/19 als Co-Trainer bei den Aalener Profis in der 3. Liga. Im Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht übernahm Stuppia dann zunächst den jüngeren B-Junioren-Jahrgang der U16, der traditionell in der U17-Hessenliga an den Start geht, ehe er in diesem Sommer die U17 übernahm.

Über sich selbst sagt Stuppia, er sei ein kommunikativer und leidenschaftlicher Trainer. Den Fußball sieht der A-Lizenz-Inhaber mehrdimensional. Bedeutet: Neben der sportlichen Fitness und dem taktischen Verständnis sei auch der psychologische Aspekt nicht zu unterschätzen – insbesondere bei Nachwuchstalenten. Motivation, Mentalität, Willenskraft und Ehrgeiz seien für Stuppia unabdingbare Charaktereigenschaften. Am Anfang seiner Premierensaison am Riederwald erläuterte der Coach seinen neuen Schützlingen deshalb ein Prinzip, das ihnen über gesamte Spielzeit hinweg als psychologische Eselsbrücke dienen sollte: Das Prinzip der ausgepressten Zitrone.

Über eigene Grenzen gehen

„In meinen bisherigen Jahren als Trainer habe ich schon viel mitgenommen, den einen oder anderen Gedanken aufgeschnappt und daraus eigene Ideen kreiert“, erzählt Stuppia und erklärt: „Wenn ich eine Zitrone auspresse, denke ich irgendwann, dass ich fertig bin. Presse ich aber noch weiter, stelle ich fest, dass ich wieder ein paar Tröpfchen herausbekomme. Wenn meine Jungs also denken, sie haben auf dem Platz bereits alles gegeben, können sie immer noch einige Prozentpunkte aus sich herausholen.“ Und siehe da: Die psychologische Motivationsspritze verhalf seiner Mannschaft in der Saison 2019/20 zu einem sehr ordentlichen Saisonstart und einem  Höhepunkt am zehnten Spieltag.

Die ersatzgeschwächten Adlerträger gastierten an diesem Tag nämlich bei der jahrgangsälteren U17 des FSV Frankfurt, die bis zu diesem Zeitpunkt alle neun Spiele souverän gewann. Im Voraus der Partie erinnerte Stuppia noch einmal an das Prinzip und versprach: „Wenn ihr auf dem Platz alles gebt und über eure Grenzen geht, esse ich hinterher die ganze Zitrone auf – unabhängig davon, wie das Spiel ausgeht.“ Die Riederwälder gewannen 4:3, fügten dem FSV die erste Saisonniederlage zu und der Cheftrainer hielt sein – wohl ziemlich saures – Versprechen. „Unser Ziel war es, mit solchen Geschichten diesen Anker punktuell einzusetzen. Auch die Jungs haben teilweise vor unseren Saisonspielen eine Zitronenscheibe gegessen oder zumindest für den Geruch in die Hand genommen. So haben sie sich immer wieder selbst ins Gedächtnis gerufen, noch mehr aus sich herauszuholen“, so der jetzige U17-Trainer.

In den Teamsitzungen der U17 spielen psychologische Aspekte meist eine große Rolle.

Mit Hilfe des Schnürsenkels Automatismen einprägen

Das Prinzip der Zitrone trug auch bis zum Abbruch der vergangenen Hessenliga-Saison im wahrsten Sinne des Wortes weiter Früchte und die U16 beendete die Spielzeit auf Tabellenrang zwei – das beste Ergebnis eines jüngeren B-Junioren-Jahrgangs der Eintracht. Stuppia folgte zur neuen Saison 2020/21 seinen Schützlingen in die U17 mit dem Wissen, dass mit der B-Junioren Bundesliga Süd/Südwest ein noch deutlich härteres Pflaster wartet. Bereits vor Saisonstart sagte Stuppia: „Den Jungs ist bewusst, dass sie im Vergleich zur vergangenen Spielzeit in der Hessenliga ihre Grenzen verschieben müssen. Das bedeutet: Was sie in der letzten Spielzeit investiert haben, wird in der Bundesliga nicht reichen.“

Aus diesem Grund fügte der 33-Jährige einen neuen, ergänzenden psychologischen Ansatz hinzu. Diesmal in der Hauptrolle: ein Schnürsenkel. „Wenn ich meinen Schuh binde, kommt es nicht selten vor, dass sich der Knoten mit der Zeit löst. Ich bin zum also zum einen selbst dafür verantwortlich, den Knoten immer so fest wie nur möglich zu schnüren. Zum anderen, immer dann nachzubinden, sollte er sich wieder lösen. Das klingt zunächst sehr abstrakt“, gibt Stuppia zu, aber ergänzt: „Im übertragenen Sinne bedeutet es, dass die Jungs eigenständig Dinge angehen und noch konsequenter umsetzen sollen. Bei der Zitrone geht es um die Grundeinstellung, immer alles zu geben – Beim Schnürsenkel hingegen um Automatismen, also sich Abläufe immer wieder vor Augen zu führen.“

Wie die Zitrone ist auch der Schnürsenkel nicht nur psychisch, sondern auch physisch jedes Mal mit von der Partie. „Es reicht nicht, einmal gut zu trainieren und sich die folgenden Einheiten auszuruhen – die Leistung muss kontinuierlich bestätigt werden. Der Schnürsenkel, den jeder Einzelne bekommen hat, wird daher ebenfalls regelmäßig überprüft, um sicher zu gehen, dass der Knoten weiterhin festgeschnürt ist“, führt der U17-Trainer weiter aus. Von seinen Jungs verlangt Stuppia, stets alles für den gemeinsamen Erfolg zu geben. Nach der Länderspielpause haben die Adlerträger beim TSV 1860 München die nächste Möglichkeit, ihr Leistungslimit zu übertreffen. Die Kombination aus Zitrone und Schnürsenkel soll dabei wieder behilflich sein.