19.11.2020
Nachwuchsleistungszentrum

Bildungsarbeit mit Karl Rotter

Neben dem Fußball legt das Leistungszentrum großen Wert auf die schulische Ausbildung. Unterstützt werden die Jungs bei ihren Aufgaben von Karl Rotter.

Karl Rotter mit dem Finnen Luka Hyryläinen sowie den Zyprioten Antonio Foti und Giorgos Pontikou.

Es gibt nicht viele Kollegen am Riederwald, die so lange für die Eintracht tätig sind, wie Karl Rotter. Seit über 16 Jahren ist er ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Nachwuchsarbeit. Lange Jahre trainierte er die U13, unter seinen Fittichen haben namhafte Spieler wie Emre Can oder Marc-Oliver Kempf das fußballerische Fliegen gelernt. Im Hauptberuf ist Karl, seit er als Trainer bei der Eintracht begonnen hat, Grundschullehrer in Offenbach-Bieber – beste Voraussetzungen also, um unseren Nachwuchs auch in Sachen Bildung auf Vordermann zu bringen. Nachdem er 2010 als erster pädagogischer Leiter des damals neuen Internats die Nachwuchsspieler betreute, ist Karl seit 2019 verantwortlich für die Koordination der Lernhilfe. Mindestens drei Mal die Woche sitzt er mit den Kids zusammen, geht die Hausaufgaben durch, bereitet sie für anstehende Prüfungen vor und erteilt für die nicht deutschsprachigen Internatler Deutschunterricht.

Wenn Abschlussarbeiten anstehen, wird es auch mal weit nach Mitternacht bis Karl Feierabend macht. „Die Jungs sehen mich irgendwo zwischen Autoritätsperson und Kumpel, manchmal sogar auch als eine Art Therapeut. Aber sie hören mir zu und nehmen die Dinge auch an“, berichtet er aus seiner Erfahrung. Üblicherweise beginnt der Deutschunterricht um 14 Uhr, zwischen 15 und 17 Uhr folgt die schulische Betreuung für alle Internatler. Doch es kann immer mal etwas dazwischen kommen, eine gewisse Flexibilität ist unabdingbar. So wie heute. Eigentlich sollten um 14 Uhr drei Spieler zum Sprachunterricht erscheinen, aber nur Luka Hyryläinen klopft an die Türe. Antonio Foti und Giorgos Pontikou sind mit der U19 unterwegs, da muss der Deutschkurs ein bisschen warten. Aber auch mit Luka zieht Karl sein Programm durch. Luka Hyryläinen, gebürtiger Finne aus Helsinki, ist 16 Jahre alt und spielt für unsere U17. Seit August lebt er im Internat und spricht hervorragend Englisch. Wie Karl. Folglich ist Englisch die Arbeitssprache. Aber es wird nicht lange dauern, bis Luka genauso gut deutsch sprechen wird. Die Auffassungsgabe des finnischen Junioren-Nationalspielers ist nicht nur auf dem Platz außergewöhnlich. Präzise und gelassen geht er auch die sprachliche Herausforderung an.

Fußballbegriffe helfen

Vor ihm auf dem Tisch liegen Heft, Arbeitszettel und ein Mäppchen. Dazu ein kleines Spielfußballfeld. Tore, Linien und Ecken sind eingezeichnet, die Spieler werden durch Taktiksteinchen symbolisiert. Der Sinn der Übung ist eindeutig: Einerseits lernt Luka die Zahlen anhand der Nummern, andererseits aber auch viele andere Fußballbegriffe. Karl zeigt auf die Objekte, Luka antwortet: „Seitenlinie“, „Mittellinie“, „Anstoßpunkt“ bzw. „Mittelpunkt“. Es geht Schlag auf Schlag. Man merkt sofort, dass Luka Lust zu lernen hat. „Das ist nicht immer so. Bei manch einem merkt man schon, dass er überwiegend Fußball im Kopf hat“, plaudert Karl aus dem Nähkästchen.

Die Eintracht legt großen Wert auch auf die schulische Betreuung und für Karl macht es die Sache wesentlich leichter, wenn die Jungs wie Luka mitziehen. „Torwart“, „Innenverteidiger“. „Crossbar …“ – Luka überlegt, doch dann kommt sie doch noch, die richtige Antwort: „Die Latte.“ Auch beim „Ersatzspieler“ muss er ein bisschen nachdenken. Doch selbst dieser fällt ihm ein. Und die Aussprache passt auch. Nebenbei lernt er auch noch, dass man zum Schiedsrichter auch „Schiri“ sagen könnte, dies aber auf dem Platz von wenig Respekt zeugt.

Es ist natürlich ein großer Vorteil, dass Karl lange als Trainer im Leistungszentrum gearbeitet hat und nebenbei als Grundschullehrer alle Kniffe der Pädagogik beherrscht. Beim Erlernen einer fremden Sprache sind alle Kinder und den Wortschatz eines Fußballers mit Begriffen aus dem Fußball selbst aufzubauen, spricht für eine gewisse Pfiffigkeit. Nicht zuletzt um Anweisungen der Trainer während eines Spiels gedankenschnell umzusetzen. Überlegt der Spieler zu lange, wenn der Trainer ihn am zweiten Pfosten sehen will, landet der Ball schneller im Netz als er Elfmeterschießen buchstabieren kann. Und Luka buchstabiert „Elfmeterschießen“ einwandfrei. Sogar mit scharfem „ß“.

Mit Spaß dabei

Der zweite Teil der Übung wird multimedial zelebriert. Jetzt sehen wir Spielszenen, Luka muss sie interpretieren. Auf Abseits kommt er schnell. Aber „Throw in …“? Wie heißt das doch gleich auf Deutsch? Genau. „Einwurf“. Perfekt buchstabiert. Karl schreibt das Wort in den Rechner, Luka sieht es auf der Leinwand. Karl fragt: „einwurf. Is that correct?“ Luka nickt. Gut, Groß- und Kleinschreibung ist wirklich knifflig. Aber das große „E“ wird doch noch platziert. „Einwurf. Right.“

Am Ende aber liegt es an den Jungs selbst, was sie daraus machen.

Karl Rotter

Bei allem Ernst kommt auch der Humor nicht zu kurz. „Who is the most important man“, fragt Karl. Klar, die einzige richtige Antwort kann nur „Betreuer“ lauten. Unterdessen fällt auf, dass auch beim Fußball mancher Begriff durch Synonyme ersetzt werden kann. Der eine spricht vom „Abschlag“, der andere vom „Abstoß“. Auch „Eckball“ und „Ecke“ wird synonym verwendet. Das kann schon für Verwirrung sorgen – vor allem, da ein Ball ja niemals eckig, sondern rund ist. Kleine Fallstricke lauern überall. Schwierige Worte wie „Verlängerung“ lassen sich einfacher lernen, wenn man sie klatschend in Silben trennt. „Ver-län-ge-rung.“ So geht es besser. Eine Taktik, die Karl genauso bei seinen Grund- wie auch den Sprachschülern anwendet. Erfolgreich, wie man sieht. Selbst der „Vogel“ mit „V“ wird von Luka richtig buchstabiert. Wenn man sich die Unterschiede der Aussprache im finnischen wie im deutschen anhört, keine Selbstverständlichkeit.

Nach einer guten halben Stunde ist Luka mit seinem Programm durch, um einiges schneller als gedacht. Die Aufgabe für die nächsten Tage heißt, alte Begriffe zu wiederholen und die neu dazu gekommenen schnellstmöglich zu lernen. Lange wird es sicherlich nicht mehr dauern, bis er sein erstes Interview auf Deutsch geben kann. Luka hat jetzt erst mal frei, Karl ein paar Minuten Zeit, bis die Internatler kommen, um mit ihnen die Hausaufgaben durchzugehen oder sich Rat in komplizierten Angelegenheiten zu holen. In Corona-Zeiten dreht sich natürlich vieles genau um dieses Thema. „Es ist wichtig, dass die Jungs sich darüber unterhalten. Solche Themen auch hier loslassen können“, hat Karl auch für andere Themen als Schularbeiten stets ein offenes Ohr. „Wir sind für die Kids da – am Ende aber liegt es an den Jungs selbst, was sie daraus machen und welche Motivation sie mitbringen“, fasst Karl seine Erfahrungen zusammen. Und wir kommen damit zum Ende des Beitrages über unseren Koordinator Karl Rotter. Sozusagen Abpfiff. Buchstabieren bitte: A B P F I F F. Jawohl, alles richtig gemacht. Geht doch.