11.05.2025
U21

Alexander Richter zum Abstieg der U21

Nach dem nun feststehenden Abstieg der U21 aus der Regionalliga Südwest äußert sich NLZ-Leiter Alexander Richter zu Ursachen und Konsequenzen – und gibt einen Ausblick auf die kommende Saison.

Herr Richter, der Abstieg ist nun Realität. Wie fällt Ihre erste Einschätzung aus?
Zunächst einmal sind wir sehr enttäuscht. Es war unser Ziel, neben der bestmöglichen individuellen Förderung unserer Talente auch den Klassenerhalt zu schaffen. Trotz einer erkennbaren Leistungssteigerung in der zweiten Saisonhälfte hat das leider nicht gereicht. Wir wussten, dass dieser Weg mit einem sehr jungen Team mutig ist und sportlich herausfordernd werden würde. Als NLZ-Leiter trage ich dafür natürlich die Verantwortung. Wir werden die Saison nun genau analysieren, um daraus die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen – ohne aber von unserem grundsätzlichen Weg abzuweichen.

Was waren aus Ihrer Sicht die Hauptgründe für den Abstieg?
Ein zentraler Punkt unserer Ausbildung ist der altersstrukturelle Ansatz: Wir sind mit der jüngsten Mannschaft der Liga angetreten – im Schnitt etwa 20 Jahre alt. Rund die Hälfte der Spieler absolvierte in dieser Saison überhaupt erst ihre ersten Einsätze im Herrenbereich. Fünf der zehn jüngsten eingesetzten Spieler der Regionalliga Südwest waren Adlerträger. Das zeigt, dass wir den Übergang in den Erwachsenenfußball früh anstoßen – das ist ein essenzieller Teil unserer Ausbildungsphilosophie. Gleichzeitig müssen wir aber selbstkritisch prüfen, ob wir den Kader in seiner Struktur ausreichend ausbalanciert haben. Unser Ziel ist es, unsere Nachwuchsspieler möglichst früh im Seniorenfußball unter Wettkampfbedingungen Spielpraxis sammeln zu lassen. Dabei müssen wir feststellen, dass wir in der aktuellen Phase der Transformation in der Anzahl der Spieler noch nicht so weit sind, um die U21 zum Teil mit U19- oder gar U17-Spielern zu spicken. Das ist ein Prozess, der die gesamte Ausbildung in unserem NLZ betrifft und noch weitere Jahre dauern wird. Eventuell hätten wir eine noch klarere Achse erfahrener Spieler einbauen müssen – als Orientierung und Stabilisierungsfaktor. Gerade im Übergangsbereich ist die Kaderplanung besonders komplex, da sich Spieler unterschiedlich entwickeln, rotieren oder verletzen.

Was macht die Kaderplanung im Übergangsbereich so kompliziert?
Der U21-Kader ist selten konstant. Verletzungen, Formschwankungen und Nationalmannschaftsabstellungen führen immer wieder zu Veränderungen. Das erschwert die tägliche Arbeit des Trainerteams. In der abgelaufenen Saison kamen langwierige Ausfälle von Leistungsträgern hinzu, was uns sportlich geschwächt hat. Zusätzlich fehlten uns mehrfach ausländische U-Nationalspieler in wichtigen Meisterschaftsspielen – anders als bei deutschen Nationalspielern besteht hier keine Möglichkeit zur Spielverlegung. Das ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar und benachteiligt Vereine mit international besetzten Nachwuchskadern. Auch die aktuelle Abstiegsregelung, die in bestimmten Konstellationen einzelne Vereine härter trifft, sollte aus unserer Sicht überarbeitet werden. Diese Themen betreffen nicht nur uns, sondern viele Klubs im Ausbildungsbereich.

Wie bewerten Sie die sportliche Entwicklung innerhalb der Saison?
Die Mannschaft hat in der Anfangsphase der Saison Zeit gebraucht, um sich an das Niveau, die Physis und die Intensität der Liga zu gewöhnen – das ist bei so vielen Neueinsteigern im Herrenbereich normal. Mit zunehmender Spielpraxis haben wir eine klare Entwicklung gesehen: individuell wie mannschaftlich. Eine Phase mit nur einer Niederlage in neun Spielen zeigt das eindrucksvoll. Doch am Saisonende konnten wir daraus nicht genug Kapital schlagen. Spiele gegen Spitzenteams wie Offenbach (0:1), Freiberg (0:1) oder Hoffenheim II (1:2) haben wir über weite Strecken mindestens auf Augenhöhe bestritten – teils sogar überlegen. Aber uns fehlte offensiv über die gesamte Saison hinweg die nötige Durchschlagskraft, Effizienz und Cleverness. Sportlich ist bei vielen Spielern ein klarer Fortschritt erkennbar, und das ist auch ein Verdienst des Trainerteams.

Es wurde weitgehend auf den Einsatz von Lizenzspielern verzichtet – warum?
Bis auf wenige Minuten von Krisztian Lisztes haben wir konsequent auf Profispieler im U21-Team verzichtet. Das ist kein Zufall. Wir stellen die Entwicklung des Spielers über kurzfristige Ergebnisse. Ein Einsatz erfahrener Profis, nur um ein Spiel zu gewinnen oder den Abstieg zu verhindern, widerspricht unserer Philosophie. Wir glauben an die langfristige Wirkung von Verantwortung und Spielzeit für junge Talente. Dieser Weg ist nicht immer angenehm – aber aus unserer Sicht alternativlos.

Wie schätzen Sie die Perspektive in der LOTTO Hessenliga 2025/26 ein?
Wir wollen die neue Situation realistisch und konstruktiv angehen. Die LOTTO Hessenliga hat sich bereits nach der Wiedereinführung der U21 zur Saison 2022/23 als wertvolle Plattform erwiesen. Spieler wie Nacho Ferri, Elias Baum, Diant Ramaj oder Simon Simoni konnten dort erste Schritte im Herrenbereich machen. Auch andere Spitzenvereine setzen bewusst auf die Oberligen, um Talente auf das Profiniveau vorzubereiten. Hinzu kommt, dass wir womöglich erneut in der UEFA Youth League vertreten sein werden – ein herausragendes Format, um Talente auf internationalem Niveau zu fordern und zu fördern. Dennoch bleibt unser mittelfristiges Ziel die Rückkehr in die Regionalliga Südwest – denn dort sehen wir, im Zusammenspiel mit anderen Wettbewerben, die idealen Bedingungen für die Ausbildung unserer Toptalente im Übergangsbereich.

Abschließendes Fazit?
Der Abstieg tut weh – sportlich und emotional. Aber er ändert nichts an unserer Überzeugung: Spielerentwicklung steht über allem. Wir werden die Saison kritisch aufarbeiten, uns hinterfragen und strukturelle Themen auf Ligaebene zur Diskussion stellen. Unser Weg bleibt dabei klar: Wir bilden Spieler aus, nicht nur Teams. Und darin werden wir uns auch künftig von nahezu allen Vereinen in der Regionalliga unterscheiden. Dieser Weg braucht Geduld, Klarheit – und manchmal auch die Kraft, Niederlagen als Lernmoment zu akzeptieren.